Im Vorwort der HomeoTrain Basic Edition schreibe ich, dass das Studium der Materia Medica mit dem neuen Lernsystem leichter und spannender ist, als Vokabeltraining. Dabei habe ich vergessen zu erwähnen, dass es bis heute kein grundlegendes Lernsystem für das Studium der klassischen Arzneimittellehren gab. Das Studium der Arzneimittellehren, mit dem Zweck die Arzneiwirkungen zu kennen, ist mit der Fülle der Arzneimittel und der Einführung von Repertorien zunehmend in den Hintergrund getreten. Die Erarbeitung dieses Wissens ist gerade für Anfänger eine große Herausforderung. Drei häufige Probleme bei dieser Herausforderung wollte ich lösen. Die Frage nach der Auswahl der zu lernenden Mittel, die Frage, was über die ausgewählten Mittel zu lernen ist und die Frage, wie man dies leicht lernen kann und dauerhaft für die Praxis memoriert.
Eine homöopathische Materia Medica enthält eine Sammlung von Symptomen aus Arzneimittelprüfungen, klinischen Beobachtungen und der Toxikologie. Diese Informationen bilden in ihrer Gesamtheit das Arzneimittelbild. Als Hahnemann im Jahr 1810 seine erste homöopathische Materia Medica veröffentlichte, bestand diese aus gerade 27 Mitteln mit ein paar tausend Einträgen. Aufgrund der wenigen Erfahrungen gab es noch kaum Wissen über die hervorragenden oder charakteristischen Merkmale der Arzneien. Als Vorläufer späterer Repertorien gab es einen umfassenden Index in einem weiteren Band. Knapp einhundert Jahre später erschienen die bis heute größten Werke von Allen und Clarke mit umfangreichen Beschreibungen von über 1000 Mitteln, unter Berücksichtigung weiterer Prüfungen und geheilter Fälle. Spätestens jetzt, könnte man meinen, war Hahnemann’s Idee von der persönlichen Kenntnis der Arzneimittelwirkungen, aufgrund dieser riesigen Menge an Arzneimittelinformationen obsolet. Wer soll das Lernen und wie überhaupt?
Mit dem Erscheinen des Repertoriums von Kent im Jahr 1897, wurde die Repertorisation als Weg zur Arzneimittelfindung möglich und verbreitet. Seit mehr als einhundert Jahren benötigt ein Homöopath nur noch bedingt Arzneimittelkenntnisse, da die passende Arznei durch Eingabe der Symptome in das Repertorium vorgeschlagen wird. Er muss nur die entsprechenden Mittel studieren, um daraus das am besten Passende auszuwählen. Früher wurde mit der Hand in Listen repertorisiert, heute übernimmt der Computer die Berechnungen und ist um einiges schneller. Das häufige Studieren der Arzneimittelbilder im Rahmen der Repertorisationen fördert über die Jahre das Verständnis der Arzneiwirkungen, aber nicht die Arzneimittelkenntnisse insgesamt. Es gibt eine Anekdote von Schülern Kent’s, die verzweifelt an einer Repertorisation sitzen und ihrem Lehrer einige Vorschläge machen, während er aufgrund seiner Arzneimittelkenntnisse und seiner Erfahrung im Vorbeigehen sagt „Das ist Thuja“ und seine Schüler ratlos und etwas verzweifelt zurücklässt.
Für mich war das Ziel die grundlegenden Arzneimittelwirkungen auswendig zu kennen. Ich habe bis heute eine romantische Idee von der Ausübung der Heilkunde. Ein Patient erscheint mit seinem Leiden, berichtet mir davon und ich weiß, wie ich helfen kann. So habe ich Hahnemann, Bönninghausen und all die berühmten Kollegen seiner Zeit verstanden und es trifft, meiner Erfahrung nach, am ehesten die Erwartungen der Patienten. Durch das Studium alter Journale aus der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts habe ich viel über die Heilerfolge verstanden und warum die Homöopathie so berühmt geworden ist.
Henry Allen veröffentlichte auch eine kurz gefasste Materia Medica mit ca. 300 Arzneimitteln auf ca. 500 Seiten. In dieser kurz gefassten Arzneimittellehre wurden die wichtigsten Arzneien mit ihren bedeutendsten Charakteristika und Leitanzeigen vorgestellt. Ein Kollege erzählte mir, dass Allen darauf bestand, dass seine Schüler dieses Buch auswendig kannten. Hier kann die Frage aufkommen, ob es ausreichend ist, über eine Arznei nur die Charakteristika und Leitanzeigen zu kennen, wo es doch so viele Symptome und Krankheiten gibt. Ja, meiner Erfahrung nach ist dies ein guter Anfang. Stellen Sie sich vor, ein Patient kommt in die Praxis wegen eines Furunkels im Nacken. Dieses Symptom ist für wenige Arzneien herausragend, kommt aber bei vielen Arzneien vor und ist für sich genommen, erst einmal unspezifisch. Nach einem kurzen Gespräch haben Sie erfahren, dass der Patient in letzter Zeit sehr gereizt und leicht aufbrausend ist, am Wochenende häufiger und etwas mehr Alkohol trinkt, in letzter Zeit häufiger an Schwindel und einem seltsamen Gefühl in der Brust leidet. Die Konstitution, das Gemüt, die Causa und die Symptome weisen eindeutig auf Nux vomica und wenn Sie im Repertorium oder einer größeren Materia medica nachschlagen, finden Sie unter Nux vomica auch den Hinweis auf Furunkel. Wir müssen von einer Arznei zunächst nur das Kennen, was sie im wesentlichen auszeichnet und was zu ihrer Verordnung notwendig ist.
Die HomeoTrain Basic Edition verwendet die Charakteristika und Leitanzeigen von 180 bedeutenden homöopathischen Arzneien aus den klassischen Quellen von Hahnemann bis Clarke, bereitet diese in den Materiae Medicae didaktisch auf, so dass sie leicht zu verstehen und leicht zu lernen sind und fördert durch die regelmäßige Übung mit den Lernkarten die schnelle, sanfte und dauerhafte Memorierung dieses Wissens, für eine erfolgreiche homöopathische Praxis.
Dimidium facti, qui coepit, habet, sapere aude, incipe!
Frei nach Horaz: „Einmal begonnen ist halb schon getan. Wage es selbst zu denken! Fange nur an!“